Spätestens seit Videoseiten wie NowThis oder Tasty große Erfolge mit gigantischen Reichweiten auf Facebook und Instagram feiern ist klar: quadratische Videos funktionieren. Und das oft besser als im gewohnten 16:9 Format. Warum ist das so? Wie erstellt man quadratische Videos? Und warum funktionieren sie so viel besser? Hier nun ein paar Antworten, praktische Tips mit Praxisbeispielen und einem kostenlosen Preset Download für Adobe After Effects und Premiere Pro!
Die Zeiten in denen sich ein Filmemacher über Auflösungen, PAL oder NTSC den Kopf zerbrechen musste sind glücklicherweise vorbei. Seit dem Siegeszug von HD ist alles viel einfacher (und einheitlicher) geworden. Und da 4K vorerst nur eine Rolle für Film & TV und als Zwischenerzeugnis zur Postproduction spielt, ist es bei Onlinevideos recht einfach: 720p oder 1080p.
Aber gerade die Verbreitungswege für Online Videos ändern sich ständig und so muss man sich mit immer neuen Rahmenbedingungen auseinandersetzen. An dieser Stelle sei z.B. Snapchat erwähnt. Das Smartphone spielt in dieser Entwicklung eine große Rolle. Denn die Notwendigkeit für quadratische Videos hat ganz viel mit dem Onlinevideokonsum auf mobilen Endgeräten (genauer Smartphones) zu tun. Aber schauen wir uns das mal genauer an.
Funktioniert das wirklich? Ein Praxisbeispiel
Wie gut das tatsächlich funktioniert, schauen wir uns an folgendem Beispiel an. Im April 2016 betreute ich mit meinem Team einen Kunden aus der Fitnessbranche auf der weltgrössten Fitnessmesse FIBO. Dort haben wir auf dem Stand einige Interviews durchgeführt, unter anderem mit dem amtierenden Mr. Olympia Phil Heath.
Mit dem Video vom Interview haben wir ein kleines Experiment durchgeführt. Zuerst haben wir es ganz normal im 16:9 Format auf Facebook gepostet, ohne Untertitel (die Untertitel werden im Anschluss noch wichtig). Das Video im normalen 16:9 Format hat (Stand: 26.11.16) 2949 Views. Das gleiche Video im quadratischen Format jedoch, das kurz danach gepostet wurde, hat 32.515 Views! (siehe unteres Bild).
>> Ein Plus an Views von genau 1000% !! <<
Ohne jegliche Werbung und bei einer verhältnismässig geringen Gesamtreichweite der Seite (23.871 Facebook Likes – Stand 26.11.16).
Dazu ein paar Fakten: quadratische Videos werden mit einer 67% höheren Warscheinlichkeit bis zum Ende angesehen. Und die VTR (view through rate) der ersten 10 Sekunden ist 54% größer als bei 16:9 Videos. Das erklärt die extremen View Unterschiede von unserem Beispiel. Aber es gibt noch einen anderen Grund. Untertitel! (siehe weiter unten).
Die Analyse
Mit einem 16:9 Video, das in einem Facebook oder Instagram Feed angezeigt wird (die bekannterweise vertikal verlaufen) deckt das Video nur ca. 32% des Bildbereiches ab. Konkurriert also mit knapp 68% des restlichen Bildbereiches. Wenn man nun das Video im Vollbild betrachten wollte, müsste man das Smartphone um 90 Grad drehen. Nur ca. 20% der User tun das regelmässig, um Videos im Vollbild zu betrachten.
Mit einem quadratischen Video vereint man also das beste aus beiden Welten. Man deckt einen weit größeren Bildbereich (ca 57%) im Vergleich zu einem 16:9 Video ab. Und muss dabei das Smartphone auch nicht drehen. Eine viel angenehmere User Experience. Ein positiver Nebeneffekt: man hat als Betrachter das Gefühl viel näher dran zu sein, durch den Beschnitt (Adobe After Effects Tutorial dazu am Ende des Artikels).
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Mehr Aufmerksamkeit auf Facebook & Instagram durch Untertitel
Auf beiden Plattformen werden Videos automatisch abgespielt, es sei denn man hat das explizit in den Voreinstellungen ausgeschaltet. Der Ton ist dabei jedoch zunächst stumm geschaltet. Durch Texteinblendungen erhöht sich die Chance, die Aufmerksamkeit des Nutzers zu gewinnen um ein Vielfaches. Die Warscheinlichkeit erhöht sich, dass der User bei dem Video “hängen bleibt”, um es weiter anzusehen. Diese Technik wurde besonders durch NowThis und Tasty populär. Zudem können so zusätzliche Informationen eingeblendet werden oder die Sprecherstimme visualisiert werden.
Hierbei werden zusätzlich Schlüsselworte farblich hervor gehoben, um die Aussage noch weiter zu verdichten und Aufmerksamkeit zu erregen. In diesem Fall sind die Worte “selbst glauben” in rot hervor gehoben (siehe Bild oben).
Die 2. Möglichkeit ist, .srt Dateien als Untertitel hinzuzufügen. Das sind Timecode Dateien, die dem Player sagen an welcher Stelle ein Text eingeblendet werden soll. Vorteil hierbei: Der Algorithmus erkennt, dass das Video optimiert wurde. Auf Youtube ist das ein deutliches Optimierungssignal für mobile Nutzung! Auch auf Facebook dürfte es ein positives Signal sein, Untertitel Dateien (.srt) hinzuzufügen. Eine allgemeine Strategie wäre: Bei grafischen Videos oder solchen, die aus animierten Bildern und Videoschnipseln bestehen, Texblöcke einzufügen (wie im Beispiel oben beschrieben). Wenn Sprache im Spiel ist (On oder Off-Text) eher mit Untertiteln zu arbeiten, da man hiermit 2 Fliegen mit einer Klappe schlägt. Der Betrachter sieht Text wenn das Video stumm abspielt und man hat ein positives Signal für den Algorithmus.
Tip: Auf Youtube lassen sich Videos sehr schnell durch die Eingabemaske traskribieren. Das Video pausiert während man tippt. Sobald man still hält, spielt es automatisch weiter. Diese Datei wird dann an das Video timecode genau angepasst. Das kann man nun als .srt Datei herunterladen und wunderbar in das Facebook Video einfügen!
Wie kommt Youtube dabei ins Spiel?
Auf den ersten Blick hat dieses Phänomen nichts mit Youtube zu tun. Weil dort bis jetzt kein Feed in der Form wie auf Facebook und Instagram existiert. Bis jetzt. Denn Youtube CEO Susan Woicicki hat bei einer Keynote auf der VidCon 2016 geradezu beiläufig angekündigt, die Interaktion der Youtuber mit den Zuschauern mit zusätzlichen Funktionen zu verbessern. So wird es z.B. möglich sein in den Kommentaren GIFs einzubinden. Ob diese Initiative Youtube mehr in Richtung Social Media Plattform zu verändern ( zum Artikel >> Youtube wird zum vollwertigen Social Media Netzwerk <<) irgendetwas mit dem Scheitern von Google+ als Facebook Konkurrent zu tun hat, ist nicht ersichtlich. Denn eigentlich ist es nur logisch, Youtube mehr in Richtung Facebook zu verändern und so die Interaktion zu erhöhen. Erst recht da Facebook offensiv versucht, die Video Fähigkeiten der Plattform zu verbessern (zum Artikel >> Facebook Watch – Frontalangriff auf Youtube & Netflix<<).
Quadratische Videos in Adobe Premiere Pro und After Effects erstellen (mit kostenlosem Preset Download)
Gut aber wie erstellt man nun quadratische Videos? Im Prinzip muss man nur 2 Dinge beachten: die Bildbereiche die im späteren Video zu sehen sein sollen, müssen im sichtbaren Bereich sein (quadratischer Bereich in der Mitte). Und das Video muss in quadratischer Auflösung ausgespielt werden. In unserem Beispiel 1080×1080 Pixel. Dazu gibt es eine kostenlose Vorlage für After Effects und Premiere Pro zum Download weiter unten. Wie so ein Video erstellt wird demonstriere ich euch in diesem kurzen Tutorial:
Instagram erstellt doch automatisch quadratische Videos
Ja Instagram Videos werden automatisch quadratisch zugeschnitten. Und genau das ist das Problem. Bildbereiche die sich beim Dreh am Bildrand abspielen, werden einfach abgeschnitten. Es wird also notwendig einzelne Clips in den mittleren Bereich zu verschieben (siehe Video). Zudem gibt es diesen Automatismus bei Facebook nicht. Man muss es also erzwingen indem man das Video direkt quadratisch ausspielt. Der Vollständigkeit halber sei zudem erwähnt, dass Instagram Videos nur 60 Sekunden lang sein können (Stand Nov. 2016).
Preset Download
Das im Tutorial erwähnte Preset über den Download Button kostenlos herunterladen:
Fazit
Längst werden über 50% der Online Videos auf mobilen Endgeräten konsumiert. Für 2017 wird ein Wert von annähernd 60% prognostiziert. Das und nicht zuletzt das nächste Google Update, das die Priorität ganz klar auf mobile traffic setzt (offizielle Devise “mobile first“) machen es umso wichtiger, sich mit solchen Mechanismen der Onlinevideo Nutzung Plattform-spezifisch auseinanderzusetzen. Es wird sich nichts daran ändern, dass 16:9 das gängige Seitenverhältnis für Bildschirme und Videos ist. Auch Instagram und Snapchat mit der Vertikalansicht werden in absehbarer Zeit nichts daran ändern. Zumal das viel eher dem natürlichen Sichtfeld des Menschen entspricht. Aber als Videograf und Online Video Produzent macht es Sinn, die Inhalte nicht nur auf verschiedenen Plattformen zu verbreiten. Sondern auch das ideale Format zu wählen. Abschliessender Tip: Die hier beschriebenen Tips sind auch für Twitter Videos (maximale Länge aktuell: 140 Sekunden) anwendbar!
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